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Vernetzte Gesellschaft

KI für das Gemeinwohl nutzen: Die Initiative Civic Coding macht den Anfang

Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen, können uns dabei helfen, das Leben und die Arbeit zu verbessern – sowie unsere Umwelt wirksamer zu schützen. Doch der gemeinwohlorientierte Einsatz kommt bislang häufig zu kurz. Die Bundesregierung will das mit der Initiative Civic Coding ändern. Der Beirat Digitalstrategie hat sich am 12.05.2023 damit befasst.

Menschen und Umwelt durch KI-Anwendungen unterstützen

Autonomes Fahren, Industrie 4.0 oder passgenaue Werbebotschaften – diese und ähnliche Schlagworte werden oftmals zuerst mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Verbindung gebracht. Welchen Beitrag KI-Anwendungen für das Gemeinwohl leisten können, ist hingegen weniger bekannt. Dabei bietet der Einsatz dieser Technologie auch hier ungezählte Möglichkeiten. KI-Anwendungen können uns dabei helfen, das Leben von Menschen zu verbessern, zum Beispiel, indem sie die Mobilität älterer Menschen stärken, Beratungsangebote zugänglicher machen oder komplizierte Texte in Leichte Sprache übersetzen. Auch für den Umweltschutz und den Kampf gegen den Klimawandel birgt die Technologie große Potenziale.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben sich zum Ziel gesetzt, die gesellschaftliche Nutzung von KI im Dienst des Allgemeinwohls zu fördern. Im Rahmen der Initiative „Civic Coding – Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl“ bündeln die drei Ministerien ihre Kräfte. Das Leuchtturmprojekt der Digitalstrategie wurde am 12. Mai 2023 im Beirat vorgestellt.

Welche Ziele verfolgt das Innovationsnetz Civic Coding?

KI-Technologien können uns dabei helfen, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Doch dafür braucht es den Einsatz vieler Akteurinnen und Akteure. Nur durch das gemeinschaftliche Handeln von Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ist es möglich, die diversen gesellschaftlichen Bedarfe zu identifizieren und passgenaue Antworten zu finden. Diesen gemeinschaftlichen und gemeinwohlorientierten Entwicklungs- und Gestaltungsansatz will die Initiative Civic Coding stärker in den Fokus rücken.

Ziel ist, ein sichtbares und wirksames Innovationsnetzwerk zu entwickeln, das die gemeinwohlorientierte Entwicklung und Nutzung von KI langfristig unterstützt und sichert. Dabei steht neben der Vernetzung und Förderung auch die Stärkung von Daten- und KI-Kompetenzen in der Zivilgesellschaft im Vordergrund. Denn wer die Funktionsweise der Technologie versteht oder eine Möglichkeit hat, Personen mit diesem Know-how zu finden, kann sie auch für soziale oder ökologische Zwecke einsetzen.

Welche Maßnahmen umfasst die Initiative?

Das Leuchtturmprojekt Civic Coding umfasst eine ganze Reihe an Aktivitäten und Maßnahmen zur Befähigung und Vernetzung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure. Dazu zählen Informations-, Austausch- und Vernetzungsangebote, die ab Juni 2023 auf dem Civic Coding-Webportal zu finden sind, sowie öffentliche Veranstaltungen, Unterstützungsangebote und Berichte im Bereich der Forschung.

Plattformen und Begegnungsräume wie die Civic Innovation Platform und die KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz unterstützen den zivilgesellschaftlichen Austausch und ermöglichen die Erprobung digitaler Technologien. Im Rahmen eines Civic Data Labs wird sich die Initiative zudem dafür einsetzen, gemeinwohlorientierte Datenräume zu schaffen.

Tiefe Einblicke in das Thema Gemeinwohlorientierte KI bietet zudem die von der Initiative beauftragte Studie „Civic Coding ‒ Grundlagen und empirische Einblicke zur Unterstützung gemeinwohlorientierter KI“, die 2022 veröffentlicht wurde. Der Forschungsbericht, der vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) angefertigt wurde, zeigt unter anderem auf, vor welchen Hürden Akteurinnen und Akteure im Feld der gemeinwohlorientierten KI häufig stehen. Die Ergebnisse dienen der Initiative als Grundlage für die Ausgestaltung ihrer Rahmensetzungen, Aktivitäten, Förderformate und weiterer Maßnahmen. Mit dem Sammelband „Zivilgesellschaft 4.0 - KI sozial, nachhaltig und partizipativ gestalten“ leistet die Initiative einen Beitrag dazu, die Diskussion und den Austausch zu gemeinwohlorientierten KI-Anwendungen weiter zu etablieren.

Vor welchen Hürden stehen Akteurinnen und Akteure gemeinwohlorientierter KI?

Für die Civic Coding-Studie wurden Expertinnen und Experten aus der Praxis gefragt, welche Potenziale, Risiken, Herausforderungen und Bedarfe sie für die Entstehung und den Einsatz von gemeinwohlorientierter KI erkennen. Vor allem bei den Herausforderungen traten unterschiedliche Aspekte zutage: von einem Mangel an Beratungsangeboten über bürokratische Hürden bis hin zu Vorbehalten innerhalb der Gesellschaft gegenüber KI-Systemen.

Die Komplexität der Bedarfe findet sich in einer zentralen Formulierung wieder: dem Wunsch nach einem Ökosystem für gemeinwohlorientierte KI-Projekte, bei dem nicht nur gewisse Rahmenbedingungen für die Umsetzung von KI-Projekten gegeben sein sollten, sondern insbesondere auch Kompetenzaufbau, Austausch und Vernetzung eine wichtige Rolle spielen.

Einen Punkt hat sich die Initiative besonders zu Herzen genommen: Viele der Befragten beklagten nicht nur geringe Fördersummen und kurze Förderzeiträume für KI-Projekte, sondern insbesondere die komplizierte Antragstellung. Diese ist vor allem für kleine Initiativen und Organisationen ein großes Hindernis. Zu den geplanten Maßnahmen der kommenden Monate zählt daher unter anderem die Entwicklung niedrigschwelliger Formate zur Unterstützung von Projekten in der Initialphase.

Wo steht das Projekt Civic Coding?

Die Initiative hat ressortübergreifende Strukturen aufgebaut: Seit Anfang 2023 gibt es eine gemeinsame Geschäftsstelle, die die drei Ministerien bei der operativen Umsetzung der gemeinsamen Aktivitäten und Maßnahmen unterstützt.

Im Vordergrund standen neben einem Dialog mit Stakeholderinnen und Stakeholdern aus der Netzcommunity Anfang Mai 2023 die Aktivitäten im Rahmen der Infrastrukturprojekte: der Start der 3. Runde des Ideenwettbewerbs „Gemeinsam wird es KI“ und die neue Förderrichtlinie im Rahmen der Civic Innovation Platform sowie die Eröffnung der KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz im Impact Hub Berlin. Das gemeinsame Webportal, das die Aktivitäten der Initiative abbildet und über das sich KI-Interessierte vernetzen und gemeinsam an Ideen arbeiten können, ist im Juni 2023 online gegangen.

Weitere bedarfsorientierte Maßnahmen sind in Planung. Daran sind viele relevante Stakeholderinnen und Stakeholder beteiligt, unter anderem aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Der Auftakt einer Veranstaltungsreihe und die Entwicklung niedrigschwelliger Unterstützungsformate sind nur einige von vielen Planungen.

Mit welchen Herausforderungen ist das Projekt konfrontiert?

Zu den besonderen Eigenschaften der Initiative gehören die ressortübergreifende Zusammenarbeit und die enge Einbindung relevanter Stakeholderinnen und Stakeholder. Diese Besonderheit ist Stärke und Herausforderung zugleich. Klassisches Ministeriumshandeln ist meistens auf Ressortzuständigkeiten ausgelegt. Indem die Initiative langjährig gelebte Verfahren und Strukturen aufbricht, kostet die Klärung verwaltungstechnischer und rechtlicher Fragen, das Aufsetzen neuer Strukturen und die Vielzahl komplexer Abstimmungsprozesse immer wieder Zeit, Kraft und Ressourcen.

Dennoch sind die Initiatorinnen und Initiatoren davon überzeugt, dass der partizipative Ansatz auch der richtige Ansatz ist: Denn nur wenn viele wichtige Stimmen gehört, alte Routinen aufgebrochen und neue Antworten gefunden worden sind, wird die Initiative ihr Ziel erreichen: KI-Technologien für das Allgemeinwohl nutzbar zu machen und die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Gestaltung der digitalen Gesellschaft langfristig zu stärken.

Was denkt der Beirat – und wie reagieren die Ministerien?

Die Mitglieder des Beirats Digitalstrategie haben sich mit dem Fortschritt bei Civic Coding beschäftigt. Im Anschluss hat der Beirat Statements formuliert, auf die die beteiligten Bundesministerien BMAS, BMUV und BMFSFJ hier reagieren.

  • Beirat sagt: „Der interministerielle und Community-fokussierte Ansatz der Maßnahme Civic Coding ist begrüßenswert. Für den Erfolg der Maßnahme ist es allerdings wichtig, Communities und zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure noch stärker in die Entwicklung der Maßnahme einzubeziehen. Weiterhin gilt es, den interministeriellen Ansatz mittelfristig noch konsequenter umzusetzen, ein einheitliches Verständnis in der Definition von Gemeinwohlorientierung sowie Künstlicher Intelligenz zu finden und idealerweise eine gemeinsame Förderrichtlinie zu entwickeln.“

    → BMAS, BMUV und BMFSFJ antworten: „Das Ziel der Initiative Civic Coding ist die gesellschaftliche Gestaltung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Dienste des Gemeinwohls. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht an Ressortgrenzen endet, weshalb die Initiative von Anfang an mit einem Bottom-up-Ansatz gestartet ist. Die bisherigen Aktivitäten und Angebote wurden im engen Austausch und in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Stakeholdern und Stakeholderinnen gemeinsam ausgestaltet, auch die entstehende Vernetzungsarchitektur soll anschlussfähig an bestehende Strukturen gestaltet werden und perspektivisch auch anderen Akteuren und Akteurinnen offenstehen.

    Die drei beteiligten Ressorts befürworten daher grundsätzlich eine noch stärkere Einbeziehung von Communities und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren in die Entwicklung der Initiative. Für eine solche kontinuierliche Einbeziehung erarbeiten die drei Ressorts gegenwärtig ein Konzept, welches über die Beteiligung der Zivilgesellschaft in Einklang mit den Bedarfen und Kapazitäten gebracht werden soll. Auch wird derzeit an einem Leitbild für die Initiative gearbeitet, das neben der Definition zentraler Begriffe und Konzepte auch Verbindlichkeit zu den Zielen der Initiative und deren Erreichung herstellen soll. Die Erarbeitung einer gemeinsamen Förderrichtlinie ist ein zentrales Anliegen der beteiligten Ressorts. Die Realisierbarkeit hängt maßgeblich vom haushalterischen Rahmen ab, der der Initiative für die kommenden Jahre gewährt wird.“

Beirat fragt nach langfristiger Strategie und messbaren Indikatoren

  • Beirat sagt: „Im Zentrum der Civic Coding-Initiative stehen Infrastrukturziele, etwa der Aufbau langfristiger Strukturen für die Vernetzung unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure oder die Verfügbarmachung gemeinwohlorientierter Open-Source-KI-Anwendungen. Die Laufzeit der Maßnahme ist aktuell nur bis Ende 2024 geplant. Um die ambitionierten Pläne gut und nachhaltig umzusetzen, braucht es eine Strategie für die Verstetigung der Maßnahme und der von ihr geförderten Innovationen.“

    → BMAS, BMUV und BMFSFJ antworten: „Die drei Ressorts teilen die Auffassung des Beirats, dass die Nachhaltigkeit der einzelnen Maßnahmen und Aktivitäten eine zentrale Anforderung an die Initiative ist. Um dies zu erreichen, braucht es bedarfsorientierte und befähigende Angebote, die bestmöglich an bestehende Angebote und Initiativen anknüpfen und möglichst verschiedene gesellschaftliche Gruppen und Organisationen zusammenbringen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Beteiligung der verschiedenen Stakeholderinnen und Stakeholder und Zielgruppen sowie die Befähigung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure, selbst aktiv zu werden (u. a. durch das Webportal, niedrigschwellige finanzielle und ideelle Unterstützung). In einem partizipativen Ansatz werden gemeinsam mit der Geschäftsstelle und unter Beteiligung relevanter Stakeholderinnen und Stakeholder aktuell die strategischen Ziele mit konkreten, bedarfsorientierten Maßnahmen hinterlegt und deren Umsetzung sinnvoll aufeinander abgestimmt.“

  • Beirat sagt: „Die Initiative hat sich ambitionierte Ziele gesteckt. Um die Wirksamkeit und die Zielerreichung gut beurteilen zu können, ist es ratsam, die Ziele um messbare Indikatoren zu ergänzen und Prioritäten zu setzen. Dabei sollte auch die interministerielle Governance betrachtet werden, da dies auch für andere Vorhaben der Digitalstrategie interessant ist (Gelingensbedingungen, Hürden, Umsetzungsschritte).“

    → BMAS, BMUV und BMFSFJ antworten: „Die drei beteiligten Ressorts teilen die Auffassung des Beirats, dass die Ziele um messbare Indikatoren ergänzt und Prioritäten gesetzt werden müssen. Zwar ist die Wirkungsmessung nur eingeschränkt gegeben, weil viele geplante Maßnahmen, beispielsweise im Bereich des Kompetenz- und Wissensaufbaus sowie der zielführenden Vernetzung, erst mittel- bis langfristig ihre volle Wirkung entfalten werden und sich auch nicht alleine den Aktivitäten der Initiative zumessen lassen. Jedoch gehen die drei beteiligten Ressorts die Prüfung messbarer Indikatoren an und werden sich der Evaluation der interministeriellen Zusammenarbeit widmen.“